Der Wecker

Es gibt ja nichts grausameres, als mitten in der Nacht von dem Klingeln geweckt zu werden, welches einen normalerweise zu einem relativ bequemen, ausgeglichenen Tag ruft. Man hat sowieso das Gefühl, vor lauter Aufregung kein Auge zugemacht zu haben. Die spitzen Schreie, die verkünden, dass man eventuell etwas vergessen habe, die Mahnungen, ja nicht dieses oder jenes zu vergessen, die Ankündigungen, morgen ja nicht das und dieses zu vergessen, und das resignierte Stöhnen, wenn man am Urlaubsort feststellt, dass man alles vergessen hat, was man nur vergessen kann. Bei der Vorstellung macht man kein Auge zu! Und gerade, wenn man meint, sich nach dem siebenhundertzweiundvierzigsten Blick auf den Wecker, noch ein paar Sekunden Schlaf gönnen zu dürfen, klingelt der verdammte Wecker. Wann kommt das Taxi? Schaffen wir das pünktlich? „Die fliegen ohne uns, da sind die gnadenlos!“ Ich schnauze meinen Sohn an, der sich gefälligst beeilen soll. Dabei sitzt der schon fix und fertig angezogen auf seiner gepackten Reisetasche und streichelt die Katze. „Oh mein Gott, wir haben die Katze vergessen!“ Meine großartigste aller Ehefrauen tätschelt meine Hand, während sie mir erklärt, dass Tante Friede jeden Tag zum Füttern und zum Blumen gießen komme. Dankbar murmele ich, dass ich eh keinen Platz mehr im Koffer hätte. Sie gibt eine Runde Baldriankapseln. Als das Taxi endlich vor dem Haus steht, habe ich die Schachtel leergegessen.
„Na, geht’s in den Urlaub“, bemerkt der Fahrer feinsinnig und wuchtet das Gepäck in den Wagen.

Er fährt schnell. Nachts fahren Taxis immer schnell. Meiner Frau ist es zu schnell. Mir geht es nicht schnell genug. Das ist unser erster Krach im Urlaub. „Ihr seid echt ätzend“ konstatiert die Tochter meiner Frau. Mein Sohn zeigt mir verstohlen den Siegerdaumen.

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