Haben Sie sich selbst schon einmal beobachtet, wie Sie aus einem dieser Urlaubsflieger torkeln? Wenn Sie glücklich an Ihrem Urlaubsziel gelandet sind? Vielleicht hat es ja Ihre Begleiterin, oder Ihr Begleiter mit der Videokamera festgehalten. Nein? Schade!
Sie müssten sich tatsächlich einmal sehen, wie Sie leicht vornüber gebeugt aus dem Ausgangsluk des Flugzeugs blinzeln und sich dann zaghaft vorwärts auf die steil hinabführenden Aluminiumstufen der Gangway zu bewegen. Einfach lächerlich!
Erinnern Sie sich? Einer, der hinter Ihnen die Gangway hinunter wankt stöhnt laut: „Puh wat stinkt dat hier!“
Langsam merken Sie, wie Ihnen der Schweiß die Brust hinunter läuft. Ihre Füße kochen in den schwarzen Lederschuhen. Die Socken sind auch viel zu dick. Dabei haben Sie zu Hause noch vorgehabt, Sandalen anzuziehen. Aber wer läuft bei Schneeregen schon mit Sandalen herum?
Während des Flugs hatten Sie zwei Kaffee, einen Orangensaft, drei Dosen Bier, eine Cola mit Gin und zum Essen ein Piccolöschen. Ach ja, und den Cognac, gratis von der Airline. Ihr Darm fühlt sich an, wie zugekleistert. Wer geht im Flieger schon aufs Klo? Selbst wenn man müsste – könnte man doch eh nicht.
Sie sehen zehn Jahre gealtert aus, denken Sie, stieren Ihr Spiegelbild an, bis Sie merken, dass Sie das gar nicht sind. Krampfhaft halten Sie sich im Flugfeldbus irgendwo fest. Draußen marschieren Sie dann mit der Tasche, die längst nicht mehr die Ausmaße und das Gewicht eines Bordcase hat, zum Eingang des Flughafengebäudes, das selbstverständlich nicht klimatisiert ist.
Misstrauisch beäugen Sie die Pfützen auf dem Beton. Sie hören jemanden in der Menschenmenge sagen: „Es hat nach fünf Jahren Trockenheit hier das erste mal wieder geregnet!“ Der Pilot hatte während des Fluges auch schon so etwas durchgegeben. Ausgerechnet, wenn Sie hierher in den Urlaub kommen!
Gott sei Dank sind Sie in Europa. Wenn Sie im nichteuropäischen Ausland sind, stehen Sie sich die Beine in den Bauch, bis Sie den Stempel in Ihrem Passport haben. Natürlich sind die anderen Schlangen immer schneller.
Ihre Jacke und den Pullover haben Sie längst ausgezogen und bewundern diejenigen Mitreisenden, die mit irgendeinem Trick jetzt schon so luftig gekleidet aussehen.
Dann das Gepäckband. Warum drängeln die sich alle vor Sie? Meinen die etwa, Sie stehen nur zu Ihrem Vergnügen hier? Die ersten Koffer kommen. Ihrer kommt natürlich als letzter.
Es ist heiß und stickig im Flughafengebäude. Und es stinkt. Wahrscheinlich die Toiletten, denken Sie und drehen sich missbilligend nach allen Seiten um. In diesen Ländern gibt es eben keine Hygiene. Und das Ganze vermischt sich noch mit dem penetranten Duft einer Frau, die sich mit einer ganzen Flasche Eau de Toilette übergossen hat.
Sie möchten am liebsten mit jemandem Streit anfangen, wenn Sie doch nur nicht so k.o. wären. Ihr Ehepartner sieht auch nicht mehr taufrisch aus.
Die Reiseleitung winkt Sie zu einem Bus, in dem es noch heißer ist. Schließlich hatte Ihr Flieger eine Stunde Verspätung und der Bus steht die ganze Zeit in der heißen Sonne. Sie schieben die Fenster auf und tun einen tiefen Atemzug.
„Bah, pfui, es stinkt!“ entfährt es Ihnen und Sie versuchen hastig, das Busfenster wieder zu schließen. Die anderen Gäste schauen sich mit angewiderten Gesichtern um.
Einer ruft: „Die sollen lieber die Türen schließen!“
„Bloß nicht“, ruft eine andere Stimme, „dann wird es noch heißer hier. Eine alte Dame hält sich ein weißes Taschentuch vor die Nase, sie hat die Augen geschlossen. Immer wieder klettern welche nach draußen um sich bei der Reiseleiterin zu beschweren.
Vorne im Rückspiegel mustert ein dunkles Augenpaar den Aufstand der Neuankömmlinge. Dabei hat der einheimische Busfahrer ein seltsames Blitzen in seinen Augen. Die Reiseleiterin draußen schüttelt immer nur ihren Kopf. Wenn es nach ihr gehe, scheint es völlig normal zu sein, dass es überall so stinkt.
„Es ist, weil es geregnet hat!“ ruft einer, der in den Bus zurückkehrt. Er hat mit der Reiseleiterin gesprochen.
Fragen schwirren durch den Bus, empörte Ausrufe, einer will nicht hier bleiben, ein anderer denkt jetzt schon an die Schadensersatzklage, wenn er wieder zuhause ist, da knackt es in der Lautsprecheranlage des Busses:
„Son las cabras que se vengan. Es la venganza de las cabras!“
Bedächtig hängt der Busfahrer das Mikrophon wieder vor sich an das Armaturenbrett, dann dreht er sich zu den so angesprochenen um und ein freches, zahnloses Grinsen zieht sein sonnengegerbtes, Gesicht in tausend Falten, während er den Motor anlässt.
Die Reiseleiterin übersetzt wenig später. Auf der Insel gebe es mehr Ziegen, als Menschen, sagt sie. Überall auf den Hügeln, in den Tälern lebten Ziegenherden. Es würde selten regnen auf der Insel, jedenfalls nicht so oft, wie auf den Nachbarinseln, aber wenn es einmal regne, und die Ziegen würden nass, dann würde tagelang ein derart bestialischer Gestank über der Insel liegen, dass es kaum auszuhalten sei. Wörtlich übersetzt habe der Busfahrer gemeint, es sei „die Rache der Ziegen“.
Wofür sich die Ziegen angeblich rächen würden, weiß die Reiseleiterin nicht zu sagen. Vielleicht möchte sie es einfach auch nicht sagen.
Erster Urlaubstag
Die Rache der Ziegen hält an. Man könnte sogar sagen, dass die Ziegen über Nacht noch Gründe für zusätzliche Rache gefunden haben müssen. Schwülwarme Luft, ungewöhnlich für Fuerteventura, sehr ungewöhnlich für die Jahreszeit, besonders ungewöhnlich für den Reisepreis. Unsere Veranstalterbetreuung meint, das sei normal für die Jahreszeit und die Ziegen würden sich freuen.
Der Begrüßungscocktail sei ohne Alkohol. Er schmeckt nach leicht angegorener, verbrannter Ananas. „Du kannst nur meckern“, bescheidet mir meine Frau. Mein Sohn schnappt sich schon das vierte Glas. Meine Tochter humpelt Richtung Pool. Sie hört nichts, sie hat ihre Ohrstöpsel drin! Ich erwische ein Moskito dabei, wie es an meinem Unterarm zuzzelt. Meine Frau hat damit kein Problem; durch diese Kampfgasglocke kommt keine Mücke durch.