Hotelzimmer

Ankunft am Hotel und der erste Blick ins Zimmer

Sie kennen diesen Augenblick, wo Ihnen bewusst wird, warum Sie ausgerechnet diesen Ehepartner haben, wo Ihnen das Herz aufgeht, wo Sie am liebsten herumstolzieren möchten und den Umstehenden zurufen möchten, „das ist mein! Ja, nehmt Euch mal daran. So was gibt es nicht beim Discounter, das ist Edelware!“
Als der Busfahrer mit Bedauern feststellte, dass unser Gepäck vermutlich bei einem der Hotels ausgeladen sein musste, wo wir vorher Gäste rausgelassen hatten, da hätten Sie mal meine Frau erleben müssen. Meine Himbeerschnitte gewordene Geduld, meine allseits vermittelnde und für alles Verständnis habende Gemahlin, meine Geliebte, die Mutter meiner Kinder, alles das, wo Frau eigentlich längst hätte schreiend weglaufen müssen, aber immer mit Engelsgeduld alles wieder in die Reihe bekommt: „Dann fahr die mal flott holen! Ich warte hier.“
Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem Leben so alles mitgemacht haben. Sicherlich werden Sie gewiss nicht in der Mehlsuppe dahergeschwommen sein, bestimmt ist Ihnen das eine oder andere Unvorhergesehene im Leben begegnet, wo Sie gedacht haben, das möchte ich lieber nicht erlebt haben. Einige von Ihnen werden garantiert schon am Rande des Abgrunds nach Halt gesucht haben, einem Alien begegnet sein, sich unvermittelt in einem Kriegsgebiet wiedergefunden haben. Aber glauben Sie mir, Sie haben gewiss noch niemals in Ihrem Leben in die vor Zorn glühenden Augen einer, in eine penetranten Parfumwolke eingehüllten kleinen Frau geblickt, die mit Wort „flott“ genau das meint, was das Wort auch tatsächlich bedeutet. 8 Minuten später klopfte es an unserer Zimmertür 307 und ein blasser Page schob verlegen unsere Koffer durch den Türspalt.
Man kann sagen, was man will, aber Respekt ist glaube ich das, was vor Beliebtheit oder Spendabelität rangiert, wenn man als Gast im Urlaub weilt. Es muss sich auch herumgesprochen haben, dass es wenig Sinn machte, mit dieser Person aus Deutschland darüber zu diskutieren, wer zuerst das Badetuch auf die Poolliege gelegt hat. Unser Zimmer war immer sauber, das Zimmer unserer Kinder, Nr. 306 war auch ebenfalls immer sauber, im Restaurant wurden wir höflich und lächelnd begrüßt und meiner werten Gattin der Stuhl zurechtgerückt. „So was könntest Du dir auch mal angewöhnen“, war denn auch ihre erste Reaktion.
Man muss sagen, dass Urlaube die Situationen im Leben sind, wo man außerordentlich, mit etwas anderen Augen seine Situation und die Situation im Kontext seiner Lieben erkennt. Meine Situation im Kontext wurde mir bereits in den ersten Stunden unseres Aufenthalts in diesem Urlaubsparadies bewusst: Ich war der Zahlmeister! Sicher, unsere Kinder hatten angeblich ihr Taschengeld auf den Urlaub hin gespart. Und meine Frau hat schließlich durch ihre berufliche Teilzeittätigkeit auch ein gewisses Einkommen, aber die besondere Situation in einem fremden Land, fern der Heimat, unter einem unbekannten Sternenhimmel, mitten unter Menschen, deren Sprache man nicht versteht muss auf Familienangehörige einen merkwürdigen Einfluss machen. Deren eigen Barschaft wird von ihnen vermutlich als eine Art Notreserve angesehen, die man unbedingt für den Moment festzuhalten hat, wo man aus dieser Fremde evakuiert werden muss, wo man Geld für die Flucht benötigt. Und da kommt auch schon die besondere Rolle des Familienoberhaupts ins Spiel, die sogar dann auch von meiner Frau anerkannt wird: Mir wird das Recht auf Rückkehr nicht zugestanden. Man plündert mich bedenkenlos aus.
Und zu allem Überfluss hat meine Frau auch noch alle Rückflugtickets und die Pässe unter Verwaltung.
Allinclusive bedeutet nicht, dass man ein lila Plastikbändchen ums Handgelenk geschweißt bekommt und damit alles, die ganzen Errungenschaften des Urlaubslandes einem zu Füßen gelegt werden, wie einem Potentaten. Nein, Allinclusive bedeutet: „Nun gibt dem Mann doch ein Trinkgeld. Der gibt sich soviel Mühe!“ Oder es heißt: „Papi, oben an der Straße ist eine Boutique, die haben da so ein…“
Ganz davon abgesehen, dass die paradiesische Freihandelszone des Hotels unmittelbar am Strand aufhört und man sich dort unvermittelt mit der geballten Wegelagerei konfrontiert sieht. Meine allertollste Ehefrau von allen allertollsten ersteht innerhalb von 10 Minuten einen Strohhut, der zu Hause sicherlich einen Ehrenplatz neben oder über meinem Sombrero erhalten wird, eine „echtgoldene“ Fußgelenkkette, eine noch echtere Armbanduhr von „Gocci“ oder „Gnocci“, es war so genau nicht zu entziffern, ein oder zwei Strandtücher, die geschmackvoll zum pittoresken Anblick eines bunt geschmückten Kamels vor amphitheatralischer Kulisse von Strand und Meer passt, und auf der meine Allerliebste unmittelbar nach dem Kaufrausch kreischend ein paar Runden drehte. Und jetzt raten Sie mal, wer das alles bezahlen durfte? Und wer hat es fotografieren müssen?
Das gute ist, man erhält seine Fotoabzüge noch am gleichen Tag, wenn man will. Und an der bar, nach dem Abendessen lassen sich mit derlei Dokumente die tollsten Urlaubsbekanntschaften knüpfen.
Sie, eine aufgedonnerte Blondine, die mir ständig Augen machte, er, ein Werbefachmann aus Hamburg, der zum Vergnügen meiner Gattin mehr Hände hatte, als mir recht waren. Meiner Frau gefiel es scheinbar! Wie sie es allerdings geschafft haben mag, unseren Sohn als ihren Komplizen zu verdingen, bleibt mir ein Rätsel. Ständig war er wieder da und bettelte mich um Geld an. Mal war es die Computerlounge, wo er im Internet surfen musste, dann hatte er einen Spielautomaten entdeckt, dann wieder musste er unbedingt in die Shopping Mall, wo es frisches Popcorn geben sollte. Und meine Frau gerierte sich derweil als Courtisane mit einem alternden Gigolo aus Norddeutschland. Nach dem vierte Manhattan, oder irgendeinem anderen Cocktail muss es mich dann auch erwischt haben. Meine Frau war jedenfalls am nächsten Morgen stinksauer. Ich hätte mich benommen, wie ein ‚pubertierender Pennäler, der seinem Samenkoller verfällt’. Dass sie sich an einen notgeilen Zuhälter rangeschmissen hätte, der seine Finger überall an ihrem Körper gefummelt habe, das wollte sie nicht gelten lassen. Ich sei ja nur neidisch, dass mich keine mehr angucken würde.
Da verstehe manch einer die Logik der Frauen.
Unser Aufenthalt wurde erst wieder entspannter, als ich nach dem Schwimmen im Pool – dazu später – aufs Zimmer kam und meine Frau auf dem Kleiderschrank sitzend vorfand, mit der zusammengerollten Hotelbroschüre in der Hand. „Ein Tier!“ Nach einer eingehender Anamnese stellte sich heraus, dass sie wohl eine Kakerlake auf dem Balkon gesehen haben muss, die mindestens so groß gewesen war, wie ein mitteleuropäisches Hausschwein. Ich konnte nichts entdecken und half meine Frau vom Schrank.
„Hier bleib ich keine Minute mehr!“

An der Rezeption konnte man sich selbstverständlich an meine Frau erinnern. Immerhin war kein Tag vergangen, an dem sie nicht irgendeinen Wunsch geäußert hatte, den man selbstverständlich immer umgehend erfüllt hatte. Höchstselbst wurde der Chefgärtner herbei zitiert, der seines Zeichens auch Professor für Insektenkunde in Personalunion mit der überaus nützlichen Funktion des Kammerjägers hatte. Dieser begnadete Mann unterzog unser Hotelzimmer und der Einfachheit halber den gesamten Seitenflügel der Hotelanlage einer Begasungsaktion, die es uns ermöglichte, mehre Stunden dumm im Geländer herumzuhängen, weil unser Zimmer absolut nicht mehr zu betreten war. Immerhin übertönte der Gestank für den Rest unseres Aufenthalts die Penetranz dessen, was sich meine Frau vor dem Abflug über Kopf und Kleidung gegossen hatte. Im übrigen eine geniale Mischung von olfaktorischem Reiz. Vielleicht sollte ich das mal einem Parfumhersteller anbieten.

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