20 Dollar
Dass ich tagelang mit einer Halskrause rumrennen musste, hat meine Freunde und Arbeitskollegen irritiert. „Autounfall?“ Die naheliegendste Frage. Und wenn ich dann antwortete „New York“, mutmaßten die meisten, dass ich zusätzlich noch schwer mit dem Kopf irgendwo angeschlagen sein musste.
Nein, mein Nackentraume habe ich von 3 Tagen New York. Ernsthaft! Ich weiß nicht, ob Sie schon mal in dieser Stadt gewesen sind? Ich war da.
Meine allerbeste, irgendwie nur mögliche Ehegattin meinte bereits am Kofferband von JFK, dass wir in New York feilschen müssten, wie die Araber. Bekanntlich seien alle New Yorker Taxifahrer entweder indischer oder arabischer Herkunft und somit Gangster. Ich solle gefälligst als Mann die Verhandlungen übernehmen.
Draußen bei den Taxis fassten mich etliche Männer am Arm. Ich nahm den, der am festesten zudrückte. Der Gangster entführte uns für 5 USD zu einem sogenannter „Dispatcher, einem selbsternannten Taxi-Zuteiler“, vermutlich indischer oder arabischer Herkunft.
„20 Dollar?“ sagte ich mit fester Stimme zu ihm. Worauf dieser die Hand aufhielt.
Another 20 USD

Meine allerbeste, irgendwie nur mögliche Ehegattin hat keine Halskrause. Nachdem sie auf der Straße eine Vierteldollarmünze gefunden hatte, hielt sie den Kopf im Gegensatz zu mir gesenkt
Meine Frau und ich bestiegen das erste Taxi in der Schlange, in dem es exotisch roch, das Bild von einem indischen Guru am Rückspiegel hing, arabische Musik dudelte und einige Palmen und Schlingpflanzen wuchsen.
Ich erinnere mich, obwohl es heller Tag war, fuhr das Taxi eigentlich im Stockdunkeln. Ab und an blitzte mal etwas Sonnenlicht zwischen steil aufragenden Hauswänden auf. Wenn man uns Kapuzen übergezogen hätte, wäre es auch kein Unterschied gewesen. Verschiedene Aussichten kamen uns während der gefühlt wochenlangen Fahrt vor, als wären wir bereits zum hundertsten Mal dran vorbeigefahren. Aber man kann sich irren. Wir fuhren durch Tunnel, über Brücken, standen in Staus, und wir kamen dann auch schließlich irgendwo an. Der indische Araber erhielt den mit niemandem im Vorfeld vereinbarten utopischen Fahrpreis, zusätzlich der Maut für diverse Brücken und Tunnel, und er zeterte auf Arabisch für ein zusätzliches Trinkgeld, in Höhe von nicht weniger, als 20 Dollar, also so viel, wie wir dem Dispatcher gegeben hatten. Wofür eigentlich?
Jedenfalls stiegen wir vor dem Hoteleingang aus, gaben dem arabischen Kofferträger 20 $, dem indischen Boy für Valet Parking 20 $, im Zimmer angekommen waren unsere Dollarbanknoten allesamt weg und vermutlich auf dem Weg zum indischen Subkontinent oder auf die arabische Halbinsel.
The last 20 $ buck
Den Rest unseres New York Aufenthalts verbrachte ich damit, meinen Hals zu recken, den Himmel zu suchen, an den steil aufragenden Hauswänden hoch zu starren, die Spitzen der Wolkenkratzer da oben zu bewundern. Damit meine Frau nicht sehen konnte, wie ich mich schäme. Davon hatte ich den steifen Nacken.