Upgrade in die First, weil die Swiss in der Economy overbooked war. Gut, ich war excellent gekleidet, sehe sowieso gepflegt aus, kann mich benehmen, lächle, wenn man mich anspricht und dufte nach einem Rasierwasser, was ich mal geschenkt bekommen habe. Außerdem sehe ich mit meiner Körpergröße eh bedürftig aus in den Sitzen der Cattleclass. Ich stimmte dankbar zu, packte meine Siebensachen und folgte der Blondine nach Vorne.
Auf den ersten Blick… WOW! Ich blickte mich um, ob ich einen eigenen Swimmingpool habe. Wohl nicht. Aber Nachbarn hatte ich. Deutsche. Sie & Er. Aus Breitbrunn am Chiemsee. Er mit einem Handicap von „2 bis 2,4, je nach Auslegung“. Er ging ja noch, zumal er die Unterhaltung nicht bestritt. Sie bestritt sie. Von Frankfurt nach Miami hatte ich das Vergnügen, mir dieses Upperclassgesabbel anhören zu müssen.
„…mit einem derartigen Gourmand am Nachbartisch sitzen zu müssen, das ist einfach indezent. Sein Habitus war so degutant, dass ich den Concierge avisieren musste. Und das im Le Chantecler vom Negreco!
An den Speisen war nichts auszusetzen. Gut, das Dekantieren des 84er Château Margaux empfand ich persönlich etwas faux pas, aber das Txogitxu war dafür à point…“
Und dann kam der Steward mit einigen Spezereien auf dem Tablett vorbei. Er zeigte mir die Schüssel mit dem Eis, auf der eine Schale Caviar steckte, verwies auf die Ecken leicht gebräunten Toastbrots, auf die Butterflöckchen, die Zitronenspalten und rückte mit seinen behandschuhten Händen die Perlmuttlöffelchen zurecht. „Ein kleines h’ordeuvre?“ Lächelte er. In dem Moment kreischte Madame Chiemsee hinter ihm.
„Purser! Die Austern!“
Ich zuckte zusammen. Wie hatte ich mir das vorzustellen? Gab es gerade eine Invasion der Schalentiere in einem Teil der First, den ich nicht überblicken konnte? Oder hatte der arme Kerl eventuell einen Rucksack, aus dem sich die Viecher gerade aus dem Staub machten? Purser verdrehte die Augen und lächelte mich leicht gezwungen weiter fragend an. Ich war zugegeben etwas sprachlos. Aus der Speisenkarte hatte ich mir ein Kalbssteak mit Blumenkohlgratin und Herzoginnenkartöffelchen ausgesucht. Und auf tranige Fischeier war ich nicht eingestellt; auf halbtote Mollusken sowieso nicht. Ich bedeutete ihm, sich erst einmal um meine Nachbarschaft zu kümmern. Er drehte mir den Rücken zu.
„Wir hatten bretonische Austern vorbestellt.“ Pause. „Und?“ Das Und kam nicht vom Steward. Die Dame des Hauses formulierte es quasi als Aufforderung, die Speisen hopp-hopp zu bringen. Der Mann ergänzte: „Einen Gavi gavi dazu, aber ein Jahrgang vor 2008 und nach 2001. Und kalt muss er sein. Sonst könnt ihr den selber trinken!“
Sie: „Wir hatten bei der Etihat mal so einen Reinfall nach Boston.“
Er: „Ja, weißt du noch? Was die dem Wein angetan haben…, da reden die immer von Hände abhacken, aber den Sommelier hätte ich auspeitschen lassen.“
Sie kreischt vergnügt auf: „Jaaaaa!“
Downgrade in die Business
Es ist ein wunderschönes Gefühl, seine Beine lang ausstrecken zu können, hundert unterschiedliche Funktionen an seinem Sitz vorzufinden, mit dem man Sitzwinkel, Seitenairbag, Temperatur der Armelehnen oder Massagefunktionen einstellen kann. Aber statt einer Schwimmweste hätte eine Pumpgun gut unter dem Sitz Platz gefunden. Und ich schwöre, ich hätte unter den Sitz gegriffen.
Den Steward, der für Nebenan dann die Austern brachte, fragte ich, ob eventuell in der Business, weiter hinten noch ein Plätzchen für mich frei wäre. Es war.
Über Belgien wechselte ich in die relativ spartanische Business. Neben drei Russen, die dem Bordpersonal ein paar dicke Dollarscheine in die Hand drückten für den gesamten Bordvorrat Wodka bis kurz vor St. John’s und danach bis Boston für Gin. Vladimir hatte versprochen, mir Weihnachten eine Kilodose Kaviar per Post zu schicken. Die Benachrichtigung vom Zoll habe ich gerade bekommen.