Ein Sonntag in Deutschland. Glocken läuten zum Hochamt, im Fernsehen ist noch nichts, draußen scheint die Sonne. „Warum sollen wir eigentlich nicht mal Urlaub in Deutschland machen?“ Denke ich laut.
Meine Frau nickt geduldig und schält weiter Kartoffeln.
„Warmduscher“, meint mein Herr Sohn, womit er wohl sagen will, dass nur arme Menschen im Urlaub nicht ins Ausland fliegen. „Schnösel“, rufe ich ihm zu, „kennst du deine Heimat? Du weist doch bestimmt nicht einmal, wo Bad Salzuflen liegt!“
„Im Teutoburger Wald“, seufzt meine Tochter und blättert weiter in einem Reisekatalog von Ibiza. Sie bemerkt meinen ratlosen Blick und ergänzte: „A2, kurz vor dem Autobahndreieck zur A30.“
Ach ja, da meinen meine neunmalklugen Sprösslinge also, mir beibringen zu müssen, wie mein Deutschland aussieht. Auf Mallorca kennen die jede Pommesbude, aber bei Deutschland reicht deren Wissen nicht über Fragen und Antworten bei Trivial Pursuit hinaus.
„In Deutschland gibt es jedenfalls viel zu sehen“, rief ich aus.
„Oh ja“, meinte mein Fräulein Tochter, „wie wäre es mit dem Mittelpunkt Deutschlands?“
„Oberdorla, bei 51° 9′ 54″ N, 10° 27′ 19″ O“, ergänzte mein Sohn.
„Lass mich raten“, fragte ich süffisant, „Computer, Flugsimulator, ja?“
„Nein, Wikipedia, Internet.“
Meine kluge Gattin vertagte den Disput mit den weisen Worten: „Morgen holen wir uns erst einmal im Reisebüro Kataloge von Deutschland, dann reden wir weiter.“
Die Kinder müssen in ihr Zimmer. Und ich darf den Tisch decken. So ist Deutschland.
Aber der Globus ist groß, und jedes Wort zuviel, ist wie eine Tretmine. Leichtfertig fällt mir ein: „Dschungelferien in Mittelamerika“. Hätte ich das mal nur nicht gesagt. Mein Sohn kriegt sofort so grün schimmernde Augen. Für meine Frau und für die Tochter wäre beinahe das Thema bereits an dem Kriterium gescheitert, was man im Dschungel anziehen könnte, aber man fängt sich, als die Stichworte „Tarzan“ und „Jane“ fallen. Die Natur bietet alles, was man zum Anziehen benötigt. Im Geiste rechne ich durch, wie viel man mangels Schuhgeschäfte im Urlaub an Geld einsparen könnte.
„Dschungelcamp“ äh, echt geil!“ Das ist dann unverkennbar der Kommentar von meinem Herrn Sohn. Mir fällt auf, dass er bestimmt sehr gut in den Urwald passen würde.
„Da gibt es erstklassig geführte Ressorts, in denen wir wohnen würden“, werfe ich aufmunternd ein, „mit allem Komfort und zurück.“
Ich kann es meiner Frau und der Tochter förmlich ansehen, wie sie garderobenmäßig sofort umdisponieren. Um sie etwas in Trapp zu halten, bemerke ich, dass es im Dschungel sehr heiß und Schwül werden könne und dass manchmal Regen angesagt sei. Meine Tochter holte den Versandkatalog, und die Beiden sind erst einmal beschäftigt.
Jetzt fehlte nur noch mein Sohn. Ihm zeichne ich wortlos zwei Ski auf den Rand der Tageszeitung und mache pantomimische Andeutung für das Formen und Werfen eines Schneeballs.
Aber das sagen wir den Mädels erst Morgen, dass wir Jungs uns eher auf Wintersport verständigt haben.