Fusions-Küche
im Flughafenhotel
Der Charles De Gaulle Airport ist Drehscheibe für viele Flüge nach Übersee. Bei mir ging es um einen Air France Flug weiter nach New York. Über den Atlantik fliegt man von Europa aus tagsüber. Nachts kommen einem die Flieger über dem Atlantik entgegen, die aus den USA nach Europa wollen. So kommt man sich nicht in die Quere. Verirrt sich mal ein Flug aus technischen Gründen in einen Abflug Spätnachmittags, wird ihm für gewöhnlich eine niedrige Flughöhe zugewiesen, damit die entgegenkommenden Flieger in großer Höhe spritsparend und vom Jetstream gesponsort nicht gestört werden. Als so ein Geisterflieger hat man nicht den ruhigsten Flug. Die Tropopause, das ist die Warmluftgrenze steigt nämlich in der Nacht etwas nach oben. In dieser Luftmassengrenze zwischen warmer, von der Sonne aufgeheizten und feuchten Luft und der kalten Luft knapp unterhalb der Stratosphäre gibt es Verwirbelungen, auf denen es ruppig zugeht. Große Jumbos liegen da nicht unbedingt ruhiger. Je nachdem, was so ein ausgebuchter und voll betankter Großraumflieger noch zusätzlich als Nutzlast im Bauch hat, kann das unbequem werden.
Ich war pünktlich am frühen Morgen in Paris, Charles De Gaulle, war eingecheckt und erfuhr dann, dass sich der Abflug verspäten würde. Mittags hieß es dann, dass der Flug mit Air France erst am nächsten Morgen nach Kennedy Airport ginge. Der Big Apple musste also warten. Die Übernachtung bekamen die meisten Passagiere im Hilton Airport Hotel Paris Charles de Gaulle. Nach einem kurzen Mittagsschläfchen steckte ich den Verpflegungsvoucher ein und überlegte, ob ich mich nach Paris aufmachen sollte, oder ob ich mir die Hotelküche anschauen könnte.
Hotel Hilton Paris Charles de Gaulle Airport
Unter dem riesigen Glas-Atrium fand ich ein Restaurant, dessen Speisekarte mich phaszinierte. Die Karte glich eher einem Katalog und war mit Fotografien der Speisen und mit Zubereitungstipps illustriert. Derart kombinierte Speisen hatte ich noch nie gesehen. Ich verglich die englischen und französischen mit den deutschen Beschreibungen, stellte aber fest, dass da wohl kein Irrtum bestehen dürfte. Es gab exotische Fleischsorten, die mit Fruchtsoßen und Sago ausgeschrieben waren. Nori, diese Algenblätter mit denen für gewöhnlich japanische Sushi in Form gehalten werden, bildeten das Gerüst für eine Art Lasagne. Pommes Fritten aus Bambusherzen mit gefrorenen Artischockenherzen hatte ich vorher auch noch nicht gesehen.
Kurz und gut, ich wagte es, den Kellner um eine Audienz beim Koch zu bitten. Die wurde mir gewährt, da es noch sehr früh am Nachmittag war und es in der Küche noch etwas gemütlicher zuging, als zur Dinner Zeit. Marcel war Vietnamese und in dritter Generation Franzose, erzählte von einer Studienzeit als Koch rund um die Welt, wie man sie nur mit den Handwerksburschen vergleichen kann, die sich nach der Lehre aufmachen um andere Techniken und Menschen kennenzulernen. Marcel Nguyen war Koch in 32 Hilton Hotels rund um den Globus. Er war gern gesehener Gast in Kochshows des französischen Fernsehens und er propagierte die Fusions-Küche. Fusions-Küche ist der Fachbegriff, wenn man unterschiedliche Küchen und Esskulturen in neue, experimentelle Gerichte zusammen führt und neue Speisen daraus entwickelt.
Die Welt kulinarisch kombiniert
Eine Kombination, die ich auf der Karte entdeckt hatte wünschte ich zu bestellen und bat Marcel darum, mir die Zubereitung anschauen und notieren zu dürfen. Die Rezeptur betraf die original italienische Küche, die mit der Küche des vorderasiatischen und nordafrikanischen Raums kombiniert wurde.
Da ich die libanesische und marokkanische Küche nahezu verehre, war dieses Gericht bezeichnend für die Zusammenführung unterschiedlicher Geschmackserlebnisse.
Hommus, Kichererbsenmus mit Sesampaste sowie italienischer Pesto werden in Kombination mit Harissa, der scharfen nordafrikanischen Gewürzpaste mit Koriander und Pepperoni gesetzt und bilden die Grundlagen für Fleisch- oder Fischzubereitung, um dann mit Sauce Hollandaise als Basis für Gemüsebeilagen einen Kontrast zu setzen. Absolut mutig und trotzdem genial. Der Wechsel zwischen den Intensitäten macht wirklich Spaß. Die Zunge schafft das, keine Sorge! Nach dem Stück Huhn mit tomatigem und parmesanigem Pesto erfrischt die zitronige Sauce Hollandaise und setzt die Geschmacksknospen in einem Reset wieder auf Null. Das Hommus kühlt nach dem Harissa und man kann sich nicht entscheiden, ob man sofort zurückkehren soll nach Italien oder lieber in Nordeuropa bleibt und erst den Brokkoli verspeist.
Auch das Vermischen der Soßenreste auf dem fast leeren Teller ist ein Spaß. Hommus verträgt Sauce Hollandaise und Pesto Rosso gleichermaßen gut. Und je nach Mischungsverhältnis kreiert man wiederum ganz eigene Geschmäcker.
Ein Hoch auf die experimentelle und mutige Küche des Hilton Paris Charles de Gaulle Airport, und ein dreifach Hoch auf Marcel, wo immer auch er gerade stecken mag und neue Speisen designed.
Okay, Hände waschen, und am nächsten Abend war ich in New York. Da gab es völlig andere Speisen. Völlig andere!